Einzelkinder haben seit jeher einen schrecklichen Ruf: Verwöhnt, egoistisch und selbstverliebt sollen sie sein, sich immer in den Vordergrund drängeln und keine Kritik vertragen. Gilt ein Kind als besonders anstrengend, heißt es gleich: „Wahrscheinlich ein Einzelkind.“

Doch zahlreiche Studien aus verschiedenen Ländern belegen, dass an den Vorurteilen nur wenig dran ist. Viel ausschlaggebender, ob ein Kind „verzogen“ ist oder nicht, sind Erziehungsstil, Lebensumstände, die Beziehung zu den Eltern sowie die individuelle Persönlichkeit des Kindes. Da fällt die Anzahl der Geschwister kaum ins Gewicht.

Gleichwohl lassen sich aus der Vogelperspektive der statistischen Mehrheitsverteilung gewisse Tendenzen erkennen. Und die sind zum Teil wirklich überraschend, wie diese 8 Fakten über Einzelkinder belegen:
1.) Sie haben eine stärkere Eltern-Bindung.
Dadurch, dass sie die alleinige Aufmerksamkeit ihrer Eltern bekommen, ist Einzelkindern auch deren Meinung wichtiger. Sie wollen ihnen besonders gern gefallen, indem sie sich etwa in der Schule mehr anstrengen oder nach Streitigkeiten schnell wieder für Harmonie sorgen.
Außerdem wachsen Einzelkinder häufiger bei Alleinerziehenden auf. Wenn sie älter werden, fühlen sie sich daher stärker als Geschwisterkinder dafür verantwortlich, ob es ihrer Mutter oder ihrem Vater gutgeht.

2.) Sie pflegen engere Freundschaften.
Einzelkinder müssen aktiv auf andere Kinder zugehen, wenn sie mit jemandem spielen wollen. Sie müssen sich in den anderen einfühlen und kompromissbereit sein – denn anders als bei Geschwisterkindern bedeutet ein Streit oft das Ende des Kontakts. So konnten mehrere Studien nachweisen, dass Einzelkinder auch in späteren Jahren motivierter sind, enge Freundschaften zu pflegen. Lediglich im Kindergartenalter fällt ihnen das Teilen nachweislich schwerer.

3.) Sie puzzeln und musizieren gern.
Wer ohne Geschwister aufwächst, muss lernen, sich allein zu beschäftigen. Kein Wunder, dass Einzelkinder noch als Jugendliche eher zum Tüfteln, Musizieren und zu intellektuellen Beschäftigungen neigen, während sich Geschwisterkinder mehr bei Gruppenaktivitäten oder im Mannschaftssport aufgehoben fühlen.

4.) Sie sind leistungsorientiert.
Einzelkinder müssen ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Hier gibt es keine Ausrede: „Aber mein Bruder/meine Schwester hat auch nicht …“ Nicht zuletzt müssen Einzelkinder wissen, was sie wollen, und ihre Freiräume gegenüber den Eltern ganz allein durchsetzen. Forscher stellen daher immer wieder fest, dass Einzelkinder auch im späteren Berufsleben leistungsorientierter sind.

5.) Ihnen wird Verantwortung übertragen.
Ihre Selbständigkeit und ihr Leistungsbewusstsein sowie ihre Kompromissbereitschaft und die Fähigkeit, soziale Kontakte zu pflegen, haben zur Folge, dass Einzelkinder öfter für verantwortungsvolle Aufgaben gewählt werden – etwa als Klassensprecher. Zudem nehmen sie auch im Job tendenziell eher Führungspositionen ein.

6.) Sie wirken altklug.
Kinder, die ohne Geschwister aufwachsen, müssen sich mehr mit Erwachsenen unterhalten. So imitieren Einzelkinder deren Verhalten, reden auf „erwachsene“ Art und Weise und wirken dadurch leicht altklug. Mit Gleichaltrigen sprechen sie allerdings wie andere Kinder.

7.) Sie sind ein klein wenig intelligenter.
Die Intelligenz eines Menschen ist von unzähligen Faktoren abhängig. Die frühkindliche Bindung zu den Eltern sowie die Förderung während des Bildungswegs sind zwei davon. Untersuchungen zufolge bekommen Einzelkinder sowohl mehr Streicheleinheiten als Baby als auch mehr Rückmeldung und Förderung in Bezug auf ihre Talente. Bei Intelligenztests schneiden Einzelkinder daher insgesamt ein klein wenig besser ab als Geschwisterkinder.

8.) Sie sind ganz normal.
Bei allen Besonderheiten, die in dieser Liste aufgezählt sind, bleibt festzuhalten: Einzelkinder unterscheiden sich nicht grundsätzlich von Kindern mit Geschwistern. Die Ergebnisse der Forscher sind lediglich statistische Tendenzen. Letztlich lässt sich aber allein anhand bestimmter Merkmale noch nicht bestimmen, ob jemand als Einzel- oder Geschwisterkind aufgewachsen ist. Sämtliche Eigenschaften treten sowohl bei den einen als auch bei den anderen auf.

Kein Kind sollte aufgrund der Zahl seiner Geschwister stigmatisiert werden. Die Klischees, die über Einzelkinder kursieren, konnten von der Wissenschaft in vielen Fällen widerlegt werden. Eltern, die – aus welchem Grund auch immer – nur ein Kind haben, sollten sich daher auf keinen Fall verrückt machen lassen: Das Leben ist viel zu komplex, als dass sich die Entwicklung eines Kindes auf ein Merkmal reduzieren ließe.
Woher kommen aber die Vorurteile? Schaut man in die Geschichte zurück, ist die Kritik an Einzelkindern schon alt und oft mit sozialen oder politischen Ideologien verknüpft: Ob für das Heer, den „gesunden Volkskörper“ oder die Rentenkasse – Familien sollten möglichst viel Nachwuchs haben. Bloß ein Kind zu haben, war schlecht, also musste auch das Einzelkind schlechte Eigenschaften besitzen. Die Gründe, weshalb Kinder geschwisterlos blieben, waren der öffentlichen Meinung egal. Umso wichtiger, dass wir heutzutage lernen, nicht mehr allzu schnell mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Quellen: magazin.sofatutor, bento, stern
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