Am Tisch sitzen zu bleiben, bis alle aufgegessen haben, Mama oder Papa nicht beim Telefonieren zu unterbrechen oder einer vorgelesenen Geschichte bis zum Ende zuzuhören – Geduld ist für die meisten Kinder eine große Herausforderung. Denn Geduld ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden. Wer seinem Kind dabei helfen will, geduldiger zu werden, braucht vor allem selbst eine große Portion Geduld.
Geduld ist eine Herausforderung
Ein konkretes Alter, in dem Kinder Geduld lernen, gibt es nicht. Aber es gibt viele Situationen, in denen sie schon früh ganz von allein Geduld beweisen. Kinder bremsen sich beim Spielen häufig selbst und arbeiten geduldig auf etwas hin. Ein gutes Beispiel dafür ist das Versteckspiel. Ohne äußere Zwänge warten die meisten Kinder in ihrem Versteck, bis sie gefunden werden. So lernen sie auf spielerische Weise, ihre Gefühlswelt zu regulieren und geduldig zu sein.
Doch wie kann man Kindern auch in anderen Situationen beibringen, abzuwarten? Ganz wichtig ist, dass Warten für Kinder keinen Stress bedeuten darf. Es soll sich gut anfühlen, so ist die Motivation gleich höher. Deshalb ist es hilfreich, deinem Kind einen Anreiz dafür zu bieten, dass es geduldig ist. Denn was sich lohnt, wird natürlich viel lieber gemacht.
Doch es gibt noch ein paar weitere Dinge, die du tun kannst, um deinem Kind Geduld beizubringen.
1.) Sei ein Vorbild
Der Alltag von Eltern ist meistens ziemlich stressig, weil hunderte Aufgaben zu erledigen sind. Dabei merken die meisten aber gar nicht, wie hektisch es wirklich zugeht und dass sich das Kind das Verhalten der Eltern abschaut. Dadurch ist es kein Wunder, wenn Kinder ständig andere Spielsachen aus den Regalen ziehen, sich nur schwer konzentrieren können und jammern, wie lange etwas noch dauert. Nimm in solchen Momenten das Tempo raus und setze dich zusammen mit deinem Kind hin und warte. Schaut euch zusammen ein Buch an und sitzt einfach still.
2.) Mache konkrete Zeitangaben
Konkrete Zeitangaben sind wichtig, wenn Kinder Geduld lernen sollen. Je jünger ein Kind ist, desto bildlicher und konkreter muss die Angabe sein, denn Kinder haben meist noch kein richtiges Verständnis von Zeitabständen. Sätze wie „Wir spielen später“ oder „Du musst jetzt eben mal warten“ sind für ein Kind selten greifbar. „Wenn ich abgewaschen habe, spielen wir. Such schon mal die Figuren zusammen“, bringt da schon viel mehr. Zeitangaben spielen erst bei Kindern im Schulalter eine Rolle. Dann verstehen sie, was damit gemeint ist, wenn Mama ihnen sagt: „Noch 10 Minuten.”
3.) Erkläre die Situation
Generell ist es gut, wenn du einfache Dinge immer auf die gleiche Art und Weise erledigst und dabei kommentierst, was du gerade tust. So lernt dein Kind die zeitlichen Abläufe besser kennen und kann deine Handlungen nachvollziehen. Wenn ein Elternteil telefoniert, das Kind es aber dabei stört, sollte man ihm einen Augenblick Aufmerksamkeit schenken und erklären, dass man nach dem Gespräch Zeit für es hat. Dies fördert seine Geduld, weil es lernt, dass bestimmte Abläufe nötig sind, bis Mama und Papa ganz für ihr Kind da sind. Außerdem kann es dich bei deiner Tätigkeit beobachten, was die Wartezeit zusätzlich überbrückt.
4.) Lass Langeweile zu
Dass Kinder nicht geduldig sind, liegt häufig daran, dass Mama und Papa immer den Unterhalter spielen und ihren Kindern ständig Spielangebote machen. Doch das ist gar nicht nötig, denn Langeweile ist gut. Nur so fangen Kinder an, kreativ zu werden, und lassen sich neue Spiele einfallen. Wenn das Gequengel deines Kindes am Anfang immer lauter wird und ihm gar nichts einfallen will, weil er oder sie es nicht gewohnt ist, kannst du als kleine Starthilfe drei Vorschläge machen.
5.) Suche dir Hilfsmittel
Wenn dein Kind vor Ungeduld kein einziges Spiel zu Ende bringen oder am Tisch sitzen bleiben kann, suche dir Hilfsmittel. Das kann z.B. eine Eieruhr sein, mithilfe derer dein Kind durchhalten muss, bis sie klingelt. Damit machst du Zeitabstände etwas greifbarer und bringst ihm bei, abzuwarten. Mit größeren Kindern kannst du auch eine normale Uhr benutzen und deinem Kind z.B. sagen: „Wenn der kleine Zeiger auf der 2 ist, dann darfst du vom Tisch aufstehen.“ Ganz nebenbei könnt ihr so auch das Uhrenlesen üben.
6.) Lass dein Kind mitmachen
Während Mama und Papa den Haushalt auf Vordermann bringen, fühlt sich das Kind vernachlässigt, quengelt rum und verlangt nach Aufmerksamkeit. Damit es lernt, geduldig zu sein, lass es mithelfen. Wenn alle mit anfassen, geht die Hausarbeit schneller und man hat danach Zeit, sich mit dem Junior zu beschäftigen und zu spielen. Schon einjährige Kinder können Plastikschüsseln zum Tisch bringen oder nach dem Abwaschen in den Schrank stellen. Die größeren Kinder können gleich den Tisch decken oder abräumen und abwischen.
Für Kinder ist Aufmerksamkeit wichtig und sie sind es vom Babyalter an gewohnt, dass ihre Bedürfnisse umgehend befriedigt wurden. Werden sie größer, ändert sich das, weil die Eltern bestimmte Dinge erledigen müssen und die Kinder dann dazu aufgefordert sind, geduldig zu warten. Sie müssen einsehen, dass sich die Welt nicht nur um sie dreht und die Eltern ebenfalls eigenständige Menschen sind. Das einzusehen, ist allerdings nicht leicht, und so kommt es nicht selten zu Wutausbrüchen seitens des Kindes.
Mit diesen sechs Tipps sollte es allerdings klappen, dass dein Kind lernt, abzuwarten, und du auch mal etwas erledigen kannst, ohne gestört zu werden. Mit der Zeit wird dein Kind die Situationen erkennen, in denen es zu warten hat. Dadurch trainierst du seine Geduld und schonst zur gleichen Zeit deine eigenen Nerven.