Natürlich darf man das Thema Gesundheit nicht auf die leichte Schulter nehmen. Erst recht nicht, wenn man unter Vorerkrankungen leidet, eine Krankheit in der eigenen Familie häufiger auftritt oder man akute Beschwerden hat. Allerdings ist es auch wichtig, sich nicht verunsichern zu lassen – durch den Übereifer des eigenen Arztes, der einem bei jedem Besuch Blut abnimmt, oder durch das Überangebot an den kostenpflichtigen sogenannten „individuellen Gesundheitsleistungen“ (IGeL).
Unter den 10 unnötigen medizinischen Behandlungen, die wir euch vorstellen, sind aber nicht nur Testverfahren, wie der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, sondern auch verbreitete Therapien, die auf Dauer problematisch sind, wie etwa die Einnahme von Schlaf- oder Beruhigungsmitteln.
1.) Routinemäßige Blutabnahme
Viele Ärzte lassen ihren Patienten regelmäßig Blut abnehmen, ohne dass ein konkreter Anlass besteht. Deshalb sollte man sich beim nächsten Mal ruhig trauen, vorher nachzufragen, welche Erkenntnisse sich der Arzt davon erhofft.
2.) Lange Bettruhe
Zu lange Bettruhe ist insbesondere für ältere Patienten problematisch, da sich dadurch ihre Gehfähigkeit rapide verschlechtert. Aber auch für jüngere Patienten birgt das lange Liegen Gefahren, denn schon nach 10 Tagen hat der Körper massiv an Muskelmasse abgebaut, er wird schlechter durchblutet und die Lunge wird schlechter belüftet, sodass zum Beispiel Thrombosen und Lungenentzündungen entstehen können.
3.) Frühes CT, MRT oder Röntgen bei Rückenschmerzen
Bildgebende Verfahren haben in den ersten 6 Wochen von unspezifischen Rückenschmerzen keinerlei Nutzen für die Diagnose. Sie sind nur teuer und belasten den Körper. Dies gilt natürlich nicht, wenn die Schmerzen spezifisch sind, also mit Lähmungserscheinungen und Ähnlichem einhergehen.
4.) Routine-EKG
Wenn man kein Risikopatient ist, dann bietet ein standardmäßiges Elektrokardiogramm (EKG) keine Vorteile im Hinblick auf die Früherkennung einer Herzerkrankung. Wahrscheinlicher ist, dass keine Auffälligkeit vorliegt oder sich eine solche als Fehlalarm herausstellt und dem Patienten unnötigen Stress bereitet.
5.) Überprüfung des Hormonstatus in den Wechseljahren
Selbst wenn man unter starken Wechseljahresbeschwerden leidet, ist es nicht sinnvoll, den Hormonstatus zu erheben. Da die Hormonwerte von Tag zu Tag stark schwanken können, kann der Arzt im Gespräch zuverlässiger feststellen, welche Symptome vorliegen, und daraus die richtigen Schlüsse für die Therapie ziehen.
6.) Schlaf- und Beruhigungsmittel
Nicht ohne Grund sind mehr als 1 Million Deutsche von Schlafmitteln abhängig, denn Schlaf- und Beruhigungsmittel werden von Ärzten zu häufig verschrieben. Aber nicht nur, wenn man von ihnen abhängig ist, sind sie problematisch, auch bei kurzem Gebrauch wirken sie sich negativ auf die Gesundheit aus. Als Nebenwirkungen können unter anderem verstärkte Schlafstörungen, Trägheit, Orientierungslosigkeit und Unruhe auftreten. Gerade bei älteren Patienten erhöht sich aufgrund der Nebenwirkungen noch dazu das Unfallrisiko.
7.) PSA-Test
Der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs kann zwar tatsächlich früher als eine Tastuntersuchung Tumore feststellen. Allerdings schlägt er auch bei Entzündungen, einer vergrößerten Prostata und gutartigen Tumoren an, sodass es durch ihn häufig zu unnötigen Behandlungen kommt. In deren Folge leiden die Patienten unter Umständen unter Impotenz oder Inkontinenz. Und selbst bei einer bösartigen Geschwulst kann es sein, dass der Leidensdruck durch die Behandlung und ihre Nebenwirkungen größer wäre als die Einschränkung durch die Erkrankung.
8.) Ultraschall oder MRT der Brust zur Krebsfrüherkennung
Es gibt keine Untersuchungen darüber, ob Frauen von einem Ultraschall oder MRT zur Brustkrebsfrüherkennung (beides sind Selbstzahler-Leistungen) profitieren. Man geht aber davon aus, dass diese Verfahren zu häufigen Fehlalarmen und unnötigen Therapien führen.
Auch die Mammografie, welche Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle 2 Jahre kostenlos zur Brustkrebsvorsorge machen lassen können, ist umstritten. Manche Mediziner halten eine gezielte Vorsorge bei Risikopatienten jeden Alters für sinnvoller als die flächendeckende Untersuchung von Menschen einer bestimmten Altersgruppe.
9.) Dauerkatheter
Für bettlägerige und inkontinente Patienten scheint ein Dauerkatheter auf den ersten Blick eine gute Maßnahme zu sein, allerdings erhöht er das Risiko einer Harnwegsinfektion und stellt deshalb vor allem bei Menschen mit einer schwachen Konstitution eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Gesundheit dar.
10.) Augeninnendruck messen
Auch die „Augenspiegelung mit Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung“ ist eine individuelle Gesundheitsleistung, sofern nicht ein konkreter Glaukom-Verdacht vorliegt. Häufig wird die Untersuchung bei jüngeren Nicht-Risiko-Patienten angeordnet, obwohl ihre Notwendigkeit und Aussagekraft umstritten ist.
Dass eine Leistung nicht von den Krankenkassen bezahlt wird, heißt nicht automatisch, dass sie sinnlos ist. Allerdings kann man anhand der genannten Standarduntersuchungen sehen, dass manche von ihnen kaum Informationswert haben und andere wiederum zu früh Alarm schlagen. Letztendlich hängt alles davon ab, wie gut der behandelnde Arzt im Vorfeld von Tests und Therapien über deren Vor- und Nachteile aufklärt und ob er nach einem positiven Testergebnis in Panik verfällt oder auch die weiteren Behandlungsschritte mit Bedacht plant. Als Patient sollte man sich auf jeden Fall immer wieder selbst daran erinnern, dass man ein Recht darauf hat, vom Arzt aufgeklärt zu werden und über die Weiterbehandlung mitzubestimmen.